Kritik |
Der Tagesspiegel am Donnerstag den 11. November 1999 |
Sie stehen Rücken an Rücken geschmiegt. Ihre Augen sind geschlossen, alles wirkt noch friedlich. Aber Ariadne wird nicht so ruhig bleiben, schon während des Schlafes wirkt sie immer angespannter, als spüre sie das Übel, das sie erwartet. Ihr Geliebter Theseus entfernt sich von ihr - räumlich wie innerlich. Die Musik untermalt die Zerissenheit, die Spannungen und das Tosen der Naturgewalten. Es ist die erste Durchlaufprobe des Melodrams "Ariadne auf Naxos", das der frühklassische Komponist Georg Anton Benda 1775 für Schauspieler und Orchester komponierte. Die Probebühne ist uncharmant und das Arbeitslicht direkt - trotzdem bannt einen die Intensität der Darbietung.
Das Studentenorchester "Sinfonietta '92" hat sich dieses hochemotionalen Werkes angenommen und kann es mit seiner knackigen Klanggebung auch wunderbar umsetzen. Die junge Schauspielerin Julia Jentsch verleiht der Titelfigur eine Kraft in der Verzweiflung, die man hinter ihrer zierlichen Erscheinung gar nicht vermutet hätte. Aus den halbjährigen Konzerten des Orchesters "Sinfonietta '92" fällt das kommende Projekt heraus: Zwei der drei Werke werden szenisch präsentiert, eines davon ist sogar gleichzeitig eine Uraufführung einer Auftragskomposition. "Das ganze Programm dreht sich um den Ariadne-Mythos, diese Idee hat sich nach der Auswahl des Melodrams von Benda wie von selbst entwickelt", sagt Uwe Sochaczewsky, ständiger Dirigent des Orchesters. Der Berliner Komponist Hanno Siepmann schrieb aus den Fragmenten der zum größten Teil verschollener Oper "Arianna" von Monteverdi von 1608 die Raumkomposition "Tutto ho perduto (Arianna)". Sein Werk für Sopran und Orchester schnitt er speziell auf den Kammermusiksaal der Philharmonie zu, den Aufführungsort des szenischen Konzertes.
"Die Hälfte des Orchesters ist zu Beginn des Werkes im Saal verteilt", verrät Sochaczewsky. Im Zentrum steht die Sopranistin Martina Rüping alias Ariadne, die zum Schluss von der Unausweichlichkeit ihrer Situation bedrängt wird - hier in Form der Musiker, die ihr auf der Bühne immer näher kommen. "Sinfonietta '92" ist ein kleines Sinfonieorchester, bestehend aus Musikstudenten und engagierten Amateurmusikern, die sich gerne an ungewöhnliche Konzertprogramme wagen. Organisation, Planung, Programmauswahl - alles machen die Mitglieder des Orchesters selbst. Diese Vitalität und der Zusammenhalt überträgt sich auch auf das musikalische Erlebnis. Die Regisseurin Sandra Leupold ist ganz begeistert von den ungeahnten Beleuchtungsmöglichkeiten des Kammermusiksaals: "So stimmungsvoll oder auch so dunkel hat man den Saal bestimmt noch selten gesehen."
Cordula Däuper
(c) Sinfonietta 92 e.V. / Änderungen und Tippfehler vorbehalten.
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