Kritik

Herbst 1997

Berliner Zeitung am Freitag dem 27. Oktober 1997

Abgeblasen, leider
Die Sinfonietta 92 spielt Werke von Bach, Webern und Schönberg

In der Kultur ist es wie im Leben auch sonst. Diejenigen, die oben stehen, können sich eine Menge leisten, denjenigen, die im Keller krebsen, geht zusehends die Luft aus. Die "Sinfonietta 92", die der Stadt keinen Glanz nach außen verspricht, bekommt vom Senat nicht einen Pfennig. Es droht das baldige Aus.

Vor diesem wohl unvermeidlichen Schritt gab das 1992 gegründete, selbstverwaltete Kammerorchester unter der Leitung von Ud Joffe am Freitag abend (noch) ein Konzert im Kammermusiksaal der Philharmonie. Möglich war das nur, weil die Instrumentalisten und der Dirigent auf ein Honorar verzichteten, trotz der intensiven Probenarbeit, trotz der Schwierigkeit des Programms mit Werken von Bach, Webern und Schönberg. Schade nur, daß der Dirigent, wie zu erfahren war, derart erpicht auf eine gute Darbietung war, daß er bis kurz vor Konzertbeginn probte.
Das Ergebnis waren schlaffe Lippen. Den armen Bläsern, vor allem den Hörnern, fehlte schlichtweg der Ansatz. Abgeblasen waren sie. Auch den Streichern merkte man bereits im "Ricercare à 6" aus dem Musikalischen Opfer von Bach sowie der Webernschen Bearbeitung dieses Stückes die Ermüdungserscheinungen an. Sie wirkten etwas unkonzentriert. Dennoch gelang die Interpretation, weil das polyphone Stimmengeflecht durch gut phrasiertes und artikuliertes Musizieren durchhörbar wurde, und weil die kluge Aufstellung des Orchesters ­ erste Geigen gegenüber den zweiten, Bratschen und Celli nach den je beiden Stimmen getrennt ­ der Transparenz dienlich war.

Die Wiedergabe von Weberns "Sinfonie" op. 21 litt dann beträchtlich unter der fehlenden Präzision. Diese Musik kann nur stimmen, wenn sie millimetergenau zusammengesetzt wird. Jeder auf die Instrumentengruppen verteilte Ton-Tupfer muß in einen abgezirkelten Kreis fallen; tut er es nicht, zerbrökkelt das exakt kalkulierte Konstrukt. Der Reiz der Webernschen Tonsprache ging so verloren, zumal die so wichtigen dynamischen Differenzierungen nicht ausgelotet wurden, und die Musiker in ihren Formulierungen allzu verschwommen blieben.

Leichte Besserung zeitigte nach der Pause Arnold Schönbergs zweite Kammersinfonie. Die Bläser hatten ihren Ansatz wiedergefunden, die Streicher ihre Konzentration. Der Mangel dieser Interpretation lag darin, daß Dirigent Ud Joffe Schönbergs Werk in der Horizontalen dirigierte, die vertikalen Strukturen aber vernachlässigte. Der Klang geriet in dieser Lesart monochrom, die Brüche nivellierend. Erst, als es schon fast zu spät war, bekamen wir eine Ahnung von den Fähigkeiten dieses Ensembles: im Lento-Teil des zweiten Satzes. Wirklich bedauerlich.

Jürgen Otten


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