Kritik |
Berliner Morgenpost am Freitag dem 12. Januar 1996 |
Die Neue Musik verdankt dem in Paris geborenen und New York verstorbenen Komponisten Edgard Varèse wichtigste Impulse. Er lebte vor dem Ersten Weltkrieg auch einige Jahre in Berlin, wo er Ferruccio Busoni traf. 1950 kam er als Lehrer zu den Darmstädter Ferienkursen. Das Schlagzeug spielt bei Varèse eine wesentliche Rolle. Das Stück "Octandre" für sechs Bläser und Kontrabaß, das am Anfang des Konzertes der Sinfonietta 44 im dürftig besuchten Kammermusiksaal der Philharmonie stand, bildet in der Hinsicht allerdings eine Aus- nahme. Das Schlagzeug fehlt, wobei der Komponist aber nicht auf schlagzeugähnliche Effekte verzichtet.
In "Octandre" finden sich komplizierte rhythmische Strukturen, die die Musiker sicher meisterten. Der blutjunge Dirigent André de Ridder sorgte durch seine übersichtliche Zeichengebung für eine reibungslose Wiedergabe.
Das Ballett "EI amor brujo" (Der Liebeszauber) hat der Spanier Manuel de Falla mehrfach überarbeitet. Die Sinfonietta brachte die schlanke Erstfassung von 1915 zu Gehör. Die Akteure gingen schwungvoll und couragiert zur Sache. Leider haperte es trotzdem hier und da bei der dynamischen Balance. Die am Beginn recht zaghaft singende ungarische Mezzo-Sopranistin Márta Rózsa wurde teilweise vom Blech attackiert.
Einen guten Eindruck hinterließ die Aufführung der Sinfonie d-Moll op. 120 von Robert Schumann. Die Sinfonietta spielte die reizvolle Erstfassung von 1841. Die Leitung von André de Rider erwies sich als ausgesprochen sicher. Dynamische Raffinessen, die man in der ersten Hälfte des Konzertes manchmal vermißte, waren nun mehrfach zu hören. Ausgezeichnet gelangen die Übergänge, etwa beim Scherzo zum Finale. Schumann stimmt auf den Schlußsatz mit einer langsamen Überleitung ein, dessen modulatorische Feinheiten das Orchester ganz zauberhaft auskosten konnte.
ron
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